
Seit wann arbeitest du schon bei uns als Eismeister?
Seit Mai 2021 bin ich hier bei der KEB Zug angestellt.
Wo hast du das Handwerk gelernt?
Zuerst habe ich in Prag Curling gespielt und war Trainer von Kindern und Junioren. Ich habe dem Chefeismeister in der Prag Arena geholfen und jeden Tag 2-3 Stunden mit ihm gearbeitet. Nachdem er gekündigt hat, durfte ich dann seinen Job übernehmen. Das heisst, ohne Erfahrung habe ich direkt als Eismeister angefangen zu arbeiten – das war sehr lustig.
Im Sommer war in dann in Füssen im Eismeisterkurs mit Hans Wüthrich und noch 2 Eismeister vom WCF. Dieser Kurs war eigentlich nur Theorie. Die Praxis musst du dann irgendwo selbst sammeln. Jeder Eismeister sagt dir das: Du musst alles Theoriewissen selbst testen und probieren.
2010 war ich zweiter Eismeister bei der Mixed Doubles und Senioren WM in Chelyabinsk, Russland. Wir hatten dort 13 Rinks gemacht. 6 waren für die Senioren und 5 für die Mixed Doubles. 2 Rinks waren für die russische Curling Association für Plauschcurling. Dort waren Gruppen mit Kaviar und Wodka – sogar während des Finals! Ich hatte auch andere Turniere in Europa gemacht, z.B. in Schottland aber auch für den WCF. 2011 war ich Chefeismeister für die Rollstuhl WM in Prag.
In der Curlinghalle in Prag war ich 4.5 Jahre als Chefeismeister und war Nationaltrainer für die Kinder. Ich habe die Curlingschule für Kinder von 7 bis 12 Jahren gegründet. Ich hatte mit 8 Kinder gestartet und am Schluss waren es 60 Kinder. Es kamen viele Freunde von Kindern – das war wie ein Schneeballeffekt. Wir haben auch viele Sommerlager gemacht und min. 2 bis 3 Mal pro Woche war Training. Zusätzlich waren wir auch in der Turnhalle für Konditionstraining, Muskulatur etc. Mit 12-18 Jahren gingen die Interessierten weiter ins nationale Juniorenzentrum. Nachher gingen sie in das Leistungszentrum für die A-Junioren. Für die Junioren von 12 – 18 war ich B-Trainer. Wir hatten 25 Junioren.
Wie entsteht das Eis anfangs Saison?
10 Tage bevor die Eisproduktion startet, muss man anfangen den Boden langsam runter zu kühlen. Das geht nicht in einem Tag. Wir kühlen zuerst runter auf 10°C dann bis 0°C. Das muss man min. 3 Tage lang halten. Nachher geht es langsam auf minus. Dann haben wir die Piste zwischen -4°C bis -5°C, jetzt können wir langsam mit dem „Aufeisen“ starten. Zuerst nur 10mal mit dem feinen Spritz, das ist wie eine Dusche. Wenn das Niveau plus minus gleichmässig ist, dann starten wir mit dem Verlegen der Werbefolien. Nach der Werbung muss man wieder Spritzen. Wenn du schon aufschwemmen würdest, so würde die Folie wieder weggeschwemmt.
Nachher Hacks setzen und dann machen wir 13 Schichten ab 1mm bis 3mm. Wir können nicht beim ersten Aufschwemmen schon 3mm machen. Das Ziel ist, dass die Unebenheiten richtig mit Wasser aufgefüllt werden. Wenn du zuviel auf einmal aufschwemmst, dann hast du bei den Löchern 5-6mm Wasser und das Eis wird wegen den Mineralien, dem Sauerstoff und alles was drin ist, nicht kompakt. Darum machst du das langsam, bis es plus minus gleichmässig ist – das nennt man Nivellierung. Die letzten Schichten sind dann 3.5 – 4mm. Insgesamt ist das Eis am Schluss 3cm dick.
Das Aufschwemmen dauert zwischen 3 – 5 Tage. Beim Aufschwemmen machen wir ungefähr 3-4 Schichten pro Tag. Das Gefrieren dauert ca. 3.5-4h pro Schicht. Es braucht Zeit, bis die Mineralien raufkommen und der Sauerstoff rausgeht. Wenn es zu schnell gefriert, dann bleibt das alles drin. Wenn die Oberflächentemperatur min. -4°C ist, dann können wir weiter aufschwemmen. Das dauert ungefähr 1h und nachher muss es wieder 3.5 – 4h gefrieren. Das heisst, wir machen eine Schicht früh morgens, eine am Mittag und eine am Abend.
Für die ganze Eisherstellung brauchen wir ca. 50’000 Liter Wasser. Beim ersten Aufschwemmen starten wir mit ca. 1500 Litern und am Schluss brauchen wir max. 2400 Liter (=440 Liter pro Rink).
Nun haben wir aber noch kein Curlingeis.
Ja, das Hauptniveau ist jetzt überall gleich und das Eis ist mehr oder weniger regelmässig. Jedoch dort wo die Leitungen der Kühlrohre sind, ist das Eis ein wenig höher und dazwischen etwas tiefer. Wenn wir pebbeln, müssen wir die Löcher zwischen den Leitungen auffüllen und hobeln. Und dann wieder pebbeln, hobeln, pebbeln, hobeln…
Wir müssen jeden Rink ungefähr 12-15 mal pebbeln und hobeln. Maschine und Mensch kann das max. 4-5 mal pro Tag schaffen. Es braucht also min. 3 Tage für das Pebbeln und Hobeln.
Normal machst du für jedes Hobeln 2mal Pebble. Dann hast du an einem Tag fast 50 Rinks gepebbelt.
Nach 12-15mal Pebbeln/Hobeln haben wir das sogenannte «Green Ice». Das heisst, es muss sich noch etwas setzen und es muss eingespielt werden. Das dauert 4-7 Tage, nachher ist das Eis parat. Der Rest der Luft muss noch weg vom Eis. Mit den Steinen macht man etwas Druck auf das Eis und so wird es eingespielt. Das Eis ist am Anfang noch etwas knackig, noch zu wenig hart. Deshalb bohre ich in den ersten Tagen noch kein Loch in der Mitte, da dort der Rand brechen würde. Wenn also jemand an den ersten Tagen kommt und sich fragt, warum es kein Loch hat: wir haben es nicht vergessen – das war Absicht.
Das heisst ihr braucht insgesamt 10 Tage um die Piste abzukühlen, dann 3-5 Tage um die Piste aufzuschwemmen und dann nochmal 3-4 Tage für das Pebbeln/Hobeln. Also braucht es insgesamt fast 20 Tage, um das Curlingeis herzustellen.
Seit du hier arbeitest haben wir eine markante Verbesserung der Eisqualität festgestellt. Was hast du alles unternommen, um das zu erreichen?
Regelmässige Eisreinigung und Hobeln: Wir hobeln regelmässig die alten Pebbles weg bis auf das Grundeis und nachher werden wieder neue Pebbles gemacht. Früher wurde das nur 3-mal pro Woche gemacht. Für gutes Curlingeis ist das nicht genügend. Man muss das gleiche Niveau halten, sonst ist das Eis nicht gleichmässig und es gibt verschieden Spuren, auf denen der Stein schneller oder langsamer läuft oder mehr oder weniger curlt.
Ich habe auch andere Formeln fürs Hobeln eingesetzt. Ich habe die Formel was und wie gehobelt werden muss angepasst für jeden Rink. Denn in Zug haben wir das Problem, dass die Rinks zu schmal sind. Es ist sehr schwierig, die Eispflege mit diesen schmalen Rinks richtig zu machen. Insbesondere auf Rinks 1 und 5 muss man aufpassen, auch die Lüftung ist unregelmässig und „frisst“ mehr Eis von den Randrinks weg als von den Mittleren. Deshalb müssen wir beim Hobel das Gewicht für die Randrinks anpassen. Weil unsere Rinks zu schmal sind, müssen wir Rink-überlappend arbeiten, also wenn Rink-2 vorbereitet wird, müssen grundsätzlich Rink-1 und Rink-3 auch frei sein. Das ist schon sehr speziell, in keine andere Halle ist sonst so!
Früher war die Breite für Curlingrinks immer 5m. Aber da gab es Probleme an der WM mit den Sidelines (Banden). Dort war es immer zu hoch. Nicht jeder Eismeister kann 5m breit pebbeln und hobeln ist auch schwierig. In den letzten Jahren wurde die offizielle maximale Breite angepasst auf 4.70m. Gemäss WCF muss der Rink für einen Wettkampf mind. 4.40m breit sein und hier sind es nur 4.27m. Deshalb können wir hier offiziell keine WM durchführen.
Osmose-Wasser: Früher wurde nur das normale Leitungswasser mit einem kleinen Filter verwendet. Da die Wasserqualität nicht immer gleich ist, sind auch die Pebbles nicht immer gleich, deshalb gab es ein unregelmässiges Resultat. Darum habe ich mit der KEB diskutiert und vor 2 Jahren haben wir zusammen mit der Stadt die Osmose-Anlage organisiert. Ein Nachteil dieses Osmose-Wassers war, dass der Boiler kaputt ging durch dieses «aggressive» Wasser. Jetzt haben wir keinen Boiler mehr, sondern kochen das Wasser mit einem WECK-Kocher (wie Glühwein) und nachher mischen wir das kalte Wasser mit dem heissen Wasser bis es die richtige Temperatur hat.
Der zweite Nachteil der Osmose-Anlage ist, dass es im grossen Tank Wasserpflanzen gab. Deshalb haben wir noch zwei neue Filter angeschafft. Ein Karbonfilter, welcher die organischen Sachen filtert und ein Filter, der den PH-Wert reduziert. Wir haben den PH-Wert etwas reduziert auf 5.2 bis 6.0, So ist der Pebble stark und hält lange.
Wenn wir etwas beim Wasser ändern, müssen wir auch den Pebble anpassen. Mit diesem Osmose-Wasser können wir den Pebble schneller aufbringen und es braucht nur noch einmal Pebbeln für einen Match. Vorher mussten wir immer zweimal pebbeln.
Eine weitere Anpassung beim Pebbeln ist auch die Wahl der Pebble-Düse je nach Feuchtigkeit und Eistemperatur. Auch die Wassertemperatur für die Pebbles muss exakt stimmen.
Etwas anderes, was ich noch vergessen habe zu erwähnen, ist, dass wir den Nipper nicht mehr einsetzen. Damit wurde der Pebblekopf geschnitten (clippen). Dieses Gerät hat 3 Messer und es ist fast nicht möglich, diese 3 Messer so einzustellen, dass sie den gleichen Schnitt machen und das Eis dann regelmässig ist.
Die bessere Variante ist der Icemaker mit dem normalen Curlingmesser. Das Messer muss aber immer kalt sein. In der ersten Saison hatten wir die Maschine auf dem Rink platziert. Ich habe dann mit meinen Kontakten eine Kühlbox organisiert und eine Rampe über der Schmelzgrube bauen lassen. Wenn die Maschine parkiert ist, wird das Messer auf der Kühlbox platziert, sodass es immer gekühlt ist. Wenn wir die Maschine rausfahren, stellen wir das Messer sofort auf das Eis um es kühl zu halten. Mit einem warmen Messer kann man nicht hobeln.
Lüftung: Unsere Halle wurde etwas speziell geplant. Die Lüftung muss aggressiv sein, da die Luftfeuchtigkeit für Curlingeis ca. 50% sein sollte. Das konnten wir hier aber nur nachts erreichen. Während des Betriebs war es nicht möglich, die Feuchtigkeit genügend zu senken. Deshalb hat auch hier die KEB investiert in einen zusätzlichen Motor für die Lüftung in der Curlinghalle. Wir können die Entfeuchtung nicht trennen für die Trainingshalle und die Curlinghalle. Aber mit dem zusätzlichen Motor in der Curlinghalle arbeiten wir nun mit einem Überdruck. Das hilft, dass die Feuchtigkeit schneller rausgeholt werden kann. Mit diesem zusätzlichen Motor können wir verschiedene Stufen einschalten je nach Betrieb. Z.B. wenn die Halle voll ist, schalten wir auf die höchste Stufe, danach wieder runter.
Aber auch hier gibt es einen Nachteil: Die Luftbewegung frisst das Eis. Das ist nicht regelmässig. Aber wir wissen inzwischen auf jedem Rink wo die kritischen Bereiche sind. Mit dem Pebbeln und Hobeln können wir das ein bisschen kompensieren. Aber das reicht nicht über die ganze Saison und deshalb müssen wir zweimal pro Saison Aufschwemmen, damit die Nivellierung wieder stimmt. Die alten Pebbleschichten werden zuerst weggehobelt und danach wird wieder 12-15mal gepebbelt/gehobelt.
Messer: Wir haben noch 3 zusätzliche Messer gekauft für die Hobelmaschine. Das Ziel ist, dass wir während der ganzen Saison immer genügend Messer haben, die gut geschliffen sind. Das Messer hat einen grossen Einfluss auf die Regelmässigkeit des Eises. Deshalb schicken alle Top-Hallen die Messer nach Holland zum Schleifen. Wir haben nun 8 Messer und müssen jedes Messer zweimal pro Saison schleifen.
Das ist auch ein Nachteil des Osmose-Wassers: Die Pebbles sind sehr stark/härter. Und da wir jetzt regelmässig hobeln, brauchen wir fast alle 3 Wochen ein neu geschliffenes Messer. Bei der Eisproduktion anfangs Saison und nach dem Aufschwemmen nach 2.5 Monaten braucht es auch ein neues Messer. Wir organisieren den Transport der Messer mit der Curlinghalle Biel. Dort hat es eine Kiste für 24 Messer – auch von anderen Curlinghallen. Die Messer werden nach Holland geschickt und nach 1-1.5 Monaten sind sie zurück. Im Januar gab es ein grosses Problem, da fast alle Mitarbeiter dieser Firma krank waren. Ich musste zwei Messer bei einer anderen Firma schleifen lassen und die Qualität war nicht zufriedenstellend, aber es gab keine andere Lösung.
Welche weiteren Wartungsarbeiten gibt es neben dem Messerschleifen noch?
Wasserfilter: Die Osmose-Anlage reinigt das Wasser. Ein Mass für die Reinheit ist Mikro-Siemens. Das Leitungswasser hat in der Regel einen Wert zwischen 50 und 1500 uS/cm. Unser Osmose-Wasser produziert Wasser mit ca. 10uS/cm. Das ist noch nicht ganz sauber. Deshalb haben wir noch weitere Filter, die das Wasser noch mehr reinigt bis auf 0uS/cm. Da ist dann nichts mehr drin. Das ist nachher wie destilliertes Wasser. Diese Filter muss man min. einmal pro Jahr wechseln. Wir beobachten, wie sich das Wasser entwickelt und wenn die Werte nicht mehr gut sind, dann wechseln wir den Filter. Die Filter kosten sehr viel und der Service der Osmose-Anlage muss auch jedes zweite Jahr gemacht werden.
Momentan ist die Wassertechnologie für die Curlinghalle voll ausgerüstet. Man kann nichts mehr verbessern, wir sind an der Grenze angelangt.
Wasserkocher: Der neue Wasserkocher müssen wir auch jede Saison ersetzen, da das aggressive Osmose-Wasser ihn kaputt macht. Deshalb verwenden wir nur einen günstigen und nicht einen grossen Boiler.
Was möchtest du abschliessend noch sagen?
Die wichtigste Komponente für eine gute Eisqualität ist immer der Eismeister selbst. Er muss immer gut schauen und testen. Er muss nicht nur das Eis machen und dann weggehen. Er muss das Eis immer beobachten und schauen, wie es sich entwickelt. Schauen, testen, messen. Wir sitzen nicht hier im Stübli beim Bier und schauen den spanenden Spielen zu sondern wir beobachten immer das Eis. Das ist ein grosser Teil der Arbeit des Eismeisters. Darum haben Hallen wie Biel, Bern und Thun zwei Eismeister, welche 120% oder mehr arbeiten. Sie wissen, wie die Halle funktioniert und was es braucht. Der Eismeister ist immer da den ganzen Tag und kontrolliert alles. Das ist wie ein Computergame: Temperatur, Lüftung regulieren und zwischendurch wieder Pebbeln/Hobeln. Das Beste ist, wenn das ein Spezialist macht. Das geht hier nicht. Wir haben keinen Eismeister, welcher nur für das Curlingeis zuständig ist. Ich durfte hier die ersten 2 Jahre fast 70% meiner Arbeitszeit in das Curlingeis investieren. Das wurde dann noch 2 Jahre verlängert. Aber jetzt geht es leider nicht weiter. Finanziell geht das nicht auf. Wir haben auch sehr viele andere Aufgaben wegen des Umbaus der Bossard Arena. Deshalb machen wir jetzt eine Rotation mit allen Eismeistern, welche weniger Erfahrung haben mit dem Curlingeis. Ich werde die Eismeister alles lehren. Meine grosse Bitte ist: Habt bitte Respekt und Verständnis für die Leute, die hier arbeiten.
Wie können die Curler den Eismeistern helfen?
- Curlingschuhe putzen
- nicht mit Händen und Knien auf dem Eis bleiben
- wenn du Schwierigkeiten beim Aufstehen hast, Knieschützer anziehen
- auch schauen, was die anderen machen und sie daran erinnern
- Hacks: vorsichtig rausnehmen, wenn man Einzeltrainings macht
- mit dem Wischmopp nach jedem Training das Eis reinigen. Das nimmt den Dreck und die Feuchtigkeit weg.
- bei Einzeltrainings mit frischem Pebble: mit der Steinkiste ein paar Mal über den Rink fahren
Vielen Dank für deinen grossartigen Einsatz für unser Curlingeis und dass du dir Zeit genommen hast, den Curlern einen Einblick in deine Arbeit zu geben. Wir wünschen dir einen angenehmen Sommer und freuen uns, dich weiterhin auf und neben dem Eis zu treffen.
Das Interview mit Jiri Marsa haben wir am 10. April 2025 aufgenommen.
Barbara Bürgi und Michel Dunand